Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 01.07.2020 (L 5 R 1265/18)
Sachverhalt:
Der Versicherte leidet seit vielen Jahren unter einer depressiven Erkrankung, die mit Abstand mittelschwere oder auch schwere Episoden mit sich bringt. Im Ergebnis liegt daher phasenweise eine (volle) Erwerbsminderung vor. Andererseits gelten Depressionen in der fachärztlichen psychiatrischen Versorgung als grundsätzlich gut therapierbar.
Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht fest. Zuvor war die Auffassung vertreten worden, dass bei Depressionserkrankungen erst dann von einer Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI ausgegangen werden könne, wenn die depressive Symptomatik einen qualifizierten Verlauf mit unvollständigen Remissionen zeigt, erfolglos ambulante stationäre und rehabilitative leitliniengerecht durchgeführte Behandlungsversuche einschließlich medikamentöser Phasenprophylaxe durchgeführt worden sind und darüber hinaus eine ungünstige Krankheitsbewältigung mit langen Arbeitsunfähigkeitszeiten vorliegen.
Die Frage der Behandelbarkeit einer psychischen Erkrankung ist vielmehr für die Frage, ob eine quantitative Leistungsreduzierung tatsächlich vorliegt, nicht heranzuziehen, sie ist nur für die Frage der Befristung und der Dauer von Bedeutung.
Diese Entscheidung eröffnet weitergehende Möglichkeiten, bei ablehnenden Entscheidungen des Rentenversicherungsträgers erfolgreich ein Widerspruchsverfahren oder auch das sozialgerichtliche Verfahren erfolgreich zu betreiben. Dessen ungeachtet werden noch immer auch im sozialgerichtlichen Gutachten erstellt, die im Ergebnis das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung verneinen, weil der Kläger „gut therapierbar“ sei. Hier ist festzustellen, dass diese Gutachten jedenfalls im Lichte des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg eine zurückweisende Entscheidung nicht tragen können.