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Urteile und Rechtsprechung im Sozialrecht 01/2024

Zum Jahresbeginn starten wir mit einer Übersicht zu interessanten Urteilen sowie Rechtsprechung aus dem Sozialrecht, die uns im letzten Jahr beschäftigt haben.


Immunadsorptionstherapie bei chronischem Fatiguesyndrom

SG- Augsburg, Beschluss v. 15.12.2022 – S 2 KR 356/22 ER

SGB V §§ 2 I a, 27, 39, 137c III

 

Das Sozialgericht verpflichtete die Krankenkasse als Antragsgegner vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung, die Antragstellerin mit der begehrten Immunadsorptionstherapie bis zum 31.03.2023 als Sachleistung zu versorgen.

 

Das Sozialgericht hat das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung nach § 2 I a SGB V als glaubhaft gemacht angesehen, wenn u.a. ein massiv ausgeprägtes chronisches Müdigkeitssyndrom besteht und eine parentale Ernährung über einen existierenden Port nicht toleriert wird und daher ein Tod durch Verhungern droht. Die Immunadsorption hat vor diesem Hintergrund hinreichende Aussicht auf einen Behandlungserfolg.

 

 

Magenbandoperation: vorheriges Durchlaufen eines multimodalen Behandlungskonzepts

SG Nürnberg, Urteil v. 19.0.2023. – S 7 KR 737/21

SGB V §§ 2 I, 12 I, 13 III, 27 I 2 Nr. 5, 39 I 2

 

Das Sozialgericht hat die Klage auf Genehmigung einer Magenbandoperation abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine chirurgische Behandlung sei keine notwendige und wirtschaftliche Maßnahme, wenn zwar bereits mehrere Maßnahmen der Gewichtsreduktion unternommen wurden, aber kein für wenigstens sechs Monate durchzuführendes ärztlich begleitetes multimodales Behandlungskonzept zugrunde gelegen habe, welches durch ein Konzept der psychologischen Begleitung und Ernährungsberatung sowie Bewegungsanregung begleitet wird. Im Ergebnis reicht es daher nicht aus, wenn zahlreiche einzelne Maßnahmen durchgeführt worden sind, vielmehr müssen diese Einzelmaßnahmen Teil eines Gesamtkonzeptes sein-

 

 

Voraussetzungen für postbariatrische Hautstraffungsoperationen

LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 21.06.2022 – L 10 KR 178/17

SGB V §§ 13 III a 6, 27 I 1

 

Ein Anspruch auf Resektion von Hautweichteilüberschüssen nach vorangegangener Magenbypass-OP erfordert körperliche Funktionseinschränkungen beim Versicherten.

 

Werden Einschränkungen der Funktionsweise der Haut angeführt, lässt sich der Behandlungsanspruch nur begründen, wenn durch die Hautüberschüsse ständige Hautreizungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder entzündliche Verhinderungen auftreten. 

 

Eine den Anspruch auf Hauptlappenresektion auslösende Entstellung erfordert eine objektiv erhebliche Auffälligkeit, die erwarten lässt, dass bei Mitmenschen im Hinblick auf den betroffenen Versicherten – in bekleidetem Zustand – Reaktionen wie Neugier oder Betroffenheit hervorgerufen werden, so dass der Versicherte zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, wodurch seine Teilnahme am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist.

 

 

Versorgung mit Medizinal-Cannabis: Begründete Einschätzung eines Vertragsarztes

LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 02.02.2023 – L 1 KR 315/22 B PKH

SGB V § 31 VI

 

Das Landessozialgericht setzt die bisherige Rechtsprechung fort, dass ein Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabis auf der Grundlage von § 31 VI SGB V voraussetze, dass eine begründete Einschätzung eines behandelnden Vertragsarztes vorliegt.

 

Die eigenen guten Erfahrungen mit Cannabinoiden können diese zwingende Voraussetzung ebenso wenig ersetzen wie der Umstand, dass die behandelnden Ärzte Privatrezepte ausstellen und Atteste erstellen.

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